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Der Architekt Othmar Barth

19.05. - 01.05.2007

Kaum eine Landschaft ist schwieriger zu bebauen als der alpine Raum. Architektur wird hier im Gegensatz zu großen urbanistischen Zentren nicht als dichte Verkettung, sondern isoliert und ungeschützt in der Natur bzw. als Ergänzung bestehender Bausubstanz wahrgenommen. Dementsprechend hoch sind der Wirkungsradius eines Gebäudes innerhalb dieses gestalterisch sensiblen Umfeldes und die Aufmerksamkeit, die es erregen kann. Vielleicht sind es vor allem diese Randbedingungen, warum bisher nur wenigen gute alpine Architektur gelungen ist. Othmar Barth gelingt Anfang der 60er Jahre mit dem Bau der Cusanus-Akademie in Brixen ein Pionierswerk für neues Bauen im Alpenraum. Durch den bewussten Einsatz von klaren Formen und reinen Materialien gepaart mit Funktionalität und Liebe zum Detail werden Experimentierfreudigkeit und Monumentalität Teil der traditionsgeladenen ländlichen Kleinstadt und umgekehrt. Der Genius Loci wird zum eigentlichen ästhetischen und funktionierenden System, ein Grundkonzept, das Barth später in all seinen Projekten verfolgt: Aus der engeren oder weiteren Umgebung übernommene prägnante Merkmale holen die oberflächlich betrachtet oft monumental erscheinenden Bauwerke wieder in das harmonische Gesamtbild zurück. Seine berufliche Karriere hat Othmar Barth in der Werkstatt seines Vaters begonnen. „Eine Schatulle baut man zuerst als geschlossene Kassette zusammen und poliert sie fein säuberlich als Kubus, erst dann schneidet man sie in zwei Teile…“ erklärt der Tischler Johann Barth seinem Sohn. 1947 zieht es den jungen Barth an die Technische Universität nach Graz, wo er - wie er selbst sagt - das Bauen als Handwerk zu verstehen begonnen hat. Die Kunst des Hinsehens hingegen hat er während seines dreijährigen Aufenthaltes in Rom erlernt. 1957 heiratet er Gretl Schödelbauer, die bis heute Ideenlieferantin und Kritikerin des großen Geistes und Meisters der Adaption und Präzision ist. 1975 wird Othmar Barth Professor für Raumgestaltung und Entwerfen an der Universität Innsbruck. Dem geistigen Mentor einer ganzen Generation ging es niemals darum, seinen Studentinnen und Studenten vorgefertigtes Wissen zu unterbreiten, sondern vielmehr Probleme zu erarbeiten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Architektur soll als Teil eines wandelbaren Ganzen erfahren werden, indem ein Ort nicht nur durch seine statischen Elemente, sondern durch seine Menschen, temporäre Stimmungen und Witterungsverhältnisse gelebt wird. So lehrt der Professor nicht vorrangig aus Büchern, sondern unternimmt mit seinen Studentinnen und Studenten zahlreiche Reisen zu wichtigen architektonischen Stätten. Othmar Barths Markenzeichen ist die Bescheidenheit, die Liebe zum Detail und der Baustoff Beton. Wo Architekten der jüngeren Generation einen Computer benötigen, bleibt Barth genügsam und verlässt sich auf die Präzision seiner Hand. Präzision verlangt der Asket der alpinen Ästhetik auch vom Handwerk; millimetergenaue Arbeit in der Ausführung ist für ihn eine Selbstverständlichkeit: Das Seehotel Ambach am Kalterer See, das Skigymnasium Stams, die Wohnsiedlung Haslach in Bozen, die Mädchenschule Payrdorf sowie die Dreifachturnhalle in Brixen, um nur einige prägnante Projekte zu nennen, sind beste Beispiele dafür.
In seiner unglaublichen Sensibilität für die Materialität des gebauten Raumes und dem natürlichen Raum gelingt es ihm, den Baustoff Beton in Einklang mit der Natur zu bringen und im Gesamtkunstwerk Umwelt, sprich Landschaft, Menschen und Traditionen einzuflechten.
Noch heute haftet der Architektur Othmar Barths etwas Neuartiges, beinahe Futuristisches an, das zeitlich noch nicht einzuordnen scheint. Vielleicht macht genau dies die Faszination seiner Bauwerke aus.
Dennoch sieht Barth sich selbst nicht als Künstler. Kunst bedeutet für ihn Inspiration: “ Der Künstler hat ein anderes Auge als der Architekt“. So wesentlich für den Planer der Bezug zwischen Außenhaut, Innenraum und Umland ist, ist auch die Integration von zeitgenössischer Kunst in dieses Gesamtkonzept. Othmar Barth vergleicht dies mit dem Sich-Zurecht-Machen einer Frau.

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